16. März 2012

Apropos schon wieder Hunger...

Früher diese Woche rief mich ein Journalist an. Irgendwann im Gespräch fragte er mich, weshalb in Mali denn jedesmal, wenn die Ernte mal nicht so gut ist, gleich eine Katastrophe droht. Nach so vielen Erfahrungen mit Dürre, Heuschreckenplagen, Überschwemmungen und anderen Schrecklichkeiten, müsste man in dem Land doch eigentlich längst damit umgehen können und Rezepte kennen, wie man Hungersnöten vorbeugen kann.



Die Frage ist berechtigt und liegt bei den regelmässig wiederkehrenden Hungersnöten auf der Hand. Die Antwort aber auch. In Mali gibt es nur eine jährliche Regenzeit, die maximal drei Monate dauert. Manchmal, immer öfter, auch kürzer. Und in vielen Gegenden bedeutet drei Monate Regenzeit auch nur, dass es jeden Tag eine Stunde oder vielleicht zwei Wasser vom Himmel gibt. Und wenn es dann doch einmal richtig regnet, kommt er oft nicht schön regelmässig, so wie es die Felder gerne haben. Oft schüttet es dann so heftig, dass das Wasser von den ausgetrockneten Böden abgewiesen wird und es zu bedrohlichen Überschwemmungen kommt. Das sind andere Realitäten als in Europa. Dass das riesige Mali, eines der absolut ärmsten Länder der Welt, über einen Staatshaushalt in der ungefähren Höhe des Budgets eines mittleren Schweizer Kantons verfügt, ist der andere Teil der Antwort auf die Frage nach der in der Tat frustrierenden Regelmässigkeit von Hungersnöten im Sahelstaat Mali.

Reis, Mais, Zibele und Härdöpfel

Noch stirbt in Mali niemand an Hunger. Die Vorräte sind aber aufgrund der letzten schwachen Ernte und der fehlenden Niederschläge aus. Zudem steigen die Preise für Nahrungsmittel immer noch steil an. Alle Experten und spezialisierten Organisationen wie das Welternährungsprogramm rechnen mit dem Schlimmsten schon in zwei, drei Monaten. Hilfe braucht es jetzt, nicht wenn es zu spät ist.
Deshalb sind wir in den letzten zwei Wochen übers Land gereist, haben uns die Bescherung angeschaut, Gespräche geführt, die Lage beurteilt schliesslich mit lokalen Partnern konkrete Nothilfe aufgegleist, die nicht erst wenn es zu spät ist, sondern sofort eingeleitet werden kann.



Die Bedürfnisse sind in allen Gebieten, die unter der Dürre leiden, ähnlich. Wie Caritas helfen will, kann deshalb gut an einem Beispiel erklärt werden. Ich versuche es am Beispiel der ländlichen Region San, die etwa 450 Kilometer östlich der Hauptstadt Bamako liegt:

In Verwaltungsbezirk San hilft Caritas 27 Dörfern mit Lebensmitteln und Saatgut. Konkret werden Reis und Mais verteilt. Nötig haben die Hilfe in diesen Dörfern alle Familien. Einige verfügen aber noch über minimale eigene Mittel. Sie erhalten die Lebensmittel deshalb auch nicht einfach geschenkt, sondern gegen einen stark reduzierten Preis, welcher der Hälfte des Einkaufspreises entspricht. Damit wird einerseits den steigenden Lebensmittelpreisen entgegengewirkt, andererseits leisten damit „Bessergestellte“ einen Solidaritätsbeitrag zugunsten noch ärmerer Familien. Mit dem Erlös aus den subentionierten Verkäufen kann wiederum Mais und Reis weitere Bedürftige eingekauft werden.

Die Lebensmittelverteilung wird mit einem sogenannten „Food for Work“-Programm verknüpft. Daran können sich Familien mit arbeitsfähigen Mitgliedern beteiligen, die als Gegenleistung für die Mitarbeit an Projekten für das Gemeinwohl Lebensmittel beziehen können.

150 bedürftige Haushalte mit Ackerland erhalten zudem verbessertes Saatgut für den Anbau von Hirse und Bohnen, das auch unter widrigen klimatischen Bedingungen gute Resultate verspricht. Die Bauern verpflichten sich, 50% der ersten Ernte als neues Saatgut wieder zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise soll nach und nach eine nachhaltige Reserve an Saatgut aufgebaut werden, die es den Gemeinschaften ermöglicht, auch längere Perioden von Lebensmittelknappheit ohne Hunger zu überstehen. Dieser Teil des Projektes ist auch deshalb wichtig, weil viele Familien in den letzten Monaten aus Hunger und mangels Hilfe von aussen ihre Saatgutvorräte aufgegessen haben.

In vier Dörfern unterstützt Caritas Schweiz auch Projekte für antizyklische Landwirtschaft. Insgesamt 120 Familien erhalten Saatkartoffeln und –zwiebeln und Unterstützung bei der Vorbereitung der Pflanzbeete. Mit dem Anbau von Kartoffeln und Zwiebeln am Ende der Regensaison im September und der Ernte im März, soll die Ernährungssicherheit auch in den klimatisch kritischen Frühlingsmonaten verbessert werden.